Vorwort des Untergeneralsekretärs für interne Aufsichtsdienste
Wie fügen sich nun das Amt für interne Aufsichtsdienste (aiad) und die Aufgaben der internen Aufsicht in das Leitmotiv der Reform der Vereinten Nationen ein?
Meine erste Antwort auf diese Frage ist, daß die Schaffung des Amtes im Sommer 1994 mittels einer Konsensresolution schon selbst einen höchst bedeutungsvollen und wirksamen Reformschritt der Generalversammlung darstellt. Mit diesem Beschluß erweiterte die Versammlung die Managementkultur der Vereinten Nationen um ein wichtiges neues Element, an dem es nahezu fünf Jahrzehnte gefehlt hatte, nämlich eine unabhängige interne Aufsicht innerhalb der Organisation.
Wenn ich die Arbeit des aiad während der vergangenen zweieinhalb Jahre und konkreter die Tätigkeiten und Ergebnisse der vergangenen 12 Monate betrachte, komme ich zu dem Schluß, daß das neue Amt erhebliche Auswirkungen auf die Managementkultur der Vereinten Nationen hat. Es hat das fiskalische Bewußtsein der Bediensteten geschärft, zur Straffung vieler administrativer und sonstiger Tätigkeiten der Vereinten Nationen beigetragen, die strikte Einhaltung der Vorschriften überwacht, wirtschaftliche Lösungen gefördert sowie Unregelmäßigkeiten und Pflichtverletzungen gegenüber der Organisation bekämpft. Ziel der Empfehlungen des Amtes war es, einen Strukturwandel, besseres Management, vermehrte Rechenschaftspflicht und erhöhte Transparenz zu erreichen.
Wie dieser Bericht zeigen wird, gab es während des vergangenen Jahres wesentliche Verbesserungen sowohl bei der Quantität als auch der Qualität der Aufsichtstätigkeiten. Durch seine Arbeit ist das aiad zu einem aktiven Träger und Befürworter der laufenden Reform der Vereinten Nationen geworden und veranschaulicht so die Feststellung von Generalsekretär Kofi Annan, daß "Reform ein Prozeß und kein Ereignis" sei.
Ich werde oft gefragt, wie weit das aiad mit dem Exekutivkoordinator für die Reform der Vereinten Nationen, Maurice Strong, und seinen Mitarbeitern zusammenwirkt. Meine Antwort darauf ist, daß wir alle Berichte des aiad, alle unsere sachdienlichen Feststellungen und Empfehlungen, der Reformgruppe zur Verfügung gestellt haben und daß sie in ihre Beratungen eingeflossen sind. Darüber hinaus hat eine Reihe von Konsultationen zu konkreten Projekten stattgefunden. In Anbetracht der Unabhängigkeit der Funktion des aiad habe ich jedoch nicht angestrebt, und wurde ich auch nicht gebeten, aktives Mitglied dieser Gruppe zu werden. Ich bin der festen Überzeugung, daß ich nicht an Managemententscheidungen beteiligt sein sollte, die ich möglicherweise später aus der Aufsichtsperspektive prüfen muß.
Über die Reformdiskussion hinaus wurden die Berichte des aiad von der Generalversammlung, den Medien und der breiten Öffentlichkeit mit wachsendem Interesse aufgenommen. Die Aufmerksamkeit, die die Versammlung unseren Feststellungen und Empfehlungen beimißt, ist für uns sehr wichtig, und ich bin ihr dafür auch sehr dankbar, denn diese Aufmerksamkeit stärkt am maßgeblichsten die Autorität dieses Amtes und wirkt sich unmittelbar auf die Befolgung seiner Empfehlungen aus, die, wie ich mit Stolz feststellen kann, weiter zunimmt.
Die Berichterstattung der Medien konzentriert sich, was kaum jemand überraschen wird, auf die ernsteren und kontroverseren Ergebnisse der Aufsichtstätigkeit; in den meisten Fällen gilt das Hauptinteresse unseren kritischen Urteilen, während diejenigen, die die Vereinten Nationen besser kennen, gerne eine "ausgewogenere" Darstellung sähen. Ich bin jedoch zuversichtlich, daß das, was die meisten dieser Medienberichte letztlich besagen - daß nämlich die interne Aufsicht in den Vereinten Nationen angemessen funktioniert - vom internationalen Nachrichtenpublikum gut aufgenommen wird und für die Organisation von Vorteil ist.
Natürlich hätten auch die VN-Manager lieber "ausgewogenere" Berichte des aiad, und ich höre von ihrer Seite oft Kommentare, die Rechnungsprüfer, Inspektoren, Evaluierer und Ermittler würden nur das Negative betonen und die Leistungen, Erfolge und Innovationen des Managements nicht würdigen. Darüber hinaus machen unsere Klienten, wenn wir sie um Stellungnahmen zu unseren Analysen bitten, in ihrem Widerspruch gelegentlich "sachliche Irrtümer" oder "Fehlinterpretationen" geltend, wenn sie doch in Wahrheit lediglich mit unserer Beurteilung nicht einverstanden sind. Dieses dialektische Phänomen ist meiner Meinung nach kennzeichnend für jede Aufsichtstätigkeit, nicht nur bei den Vereinten Nationen. Ich muß mir erst dann darüber Sorgen machen, wenn im Zuge solcher Meinungsverschiedenheiten die Professionalität meiner Mitarbeiter in Frage gestellt wird.
Als Antwort darauf hat das aiad während des Berichtszeitraums seine Verfahren zur Konsultation mit seinen Klienten verfeinert und ein Qualitätskontrollsystem für seine Arbeit eingeführt, das eine Überprüfung durch Kollegen sowie andere Methoden beinhaltet, die sicherstellen sollen, daß unsere Feststellungen und Empfehlungen maßvoll, realistisch und gründlich dokumentiert sind. Im Zusammenhang mit der Gewährleistung qualitativ hochwertiger Arbeit durch das aiad muß ich auch die für das Amt zur Verfügung stehenden Ressourcen ansprechen. Die 12 zusätzlichen Dienstposten, die die Generalversammlung dem aiad für den Zeitraum 1996-1997 gewährt hatte, konnten nur mit erheblicher Verzögerung besetzt werden, was hauptsächlich auf die Praxis der Vereinten Nationen zurückzuführen war, neue Posten während des ersten Zweijahreszeitraums im Haushalt nur zu 50 Prozent zu veranschlagen, wobei auch noch andere Verzögerungsfaktoren hinzukamen. Die volle finanzielle Wirkung dieser Stärkung des aiad wird erst in unserem Haushaltsvoranschlag für 1998-1999 ersichtlich, der eine Mittelerhöhung um mehr als 2,5 Millionen US-Dollar ausweist, was in Wirklichkeit nicht viel mehr als einer Fortschreibung des bisherigen Haushalts entspricht.
Während der vergangenen 12 Monate habe ich abermals Dienstorte außerhalb der Zentrale besucht, nämlich Genf, Wien und Nairobi sowie Rom und Amman. Die Anmerkungen, die ich in meinem ersten umfassenden Bericht 1995 (A/50/459, Anhang) gemacht habe, sind auch heute noch gültig; jeder dieser Dienstorte hat - verständlicherweise - seinen eigenen Charakter, scheint aber andererseits auch hinsichtlich der Arbeitsverfahren, gemeinsamen Ziele und Wertvorstellungen sehr weit von New York entfernt zu sein - was weniger verständlich ist und auf noch verbleibende Probleme einer Fragmentierung und eines Mangels an Kommunikation hindeutet. Dies ist ein Bereich, der bei der Reform der Vereinten Nationen energisch angepackt werden muß.
Es ist zu hoffen, daß die neuen Initiativen zur Dezentralisierung und Delegation von Befugnissen bald Fuß fassen und von den Bediensteten angenommen werden. Mit der bloßen Herausgabe einiger neuer Verwaltungsvorschriften ist es dabei jedoch nicht getan; vielmehr gilt es, an die Dezentralisierung der Aufgaben der Organisation rational heranzugehen und zunächst sicherzustellen, daß die für den Erfolg der Dezentralisierung wesentlichen Faktoren vorhanden sind. Dazu bedarf es zuallererst einer klar artikulierten Delegation von Befugnissen und der klaren Umschreibung der Verantwortlichkeit derjenigen, an die die Befugnisse delegiert werden; danach müssen den Bediensteten die wesentlichen Aspekte ihrer Ausstattung mit mehr Verantwortung durch eine gründliche Schulung und Bewußtseinsbildung nahegebracht werden. Schließlich erfordert diese Initiative die Einrichtung eines wirksamen Überwachungsmechanismus, damit gewährleistet ist, daß die delegierten Befugnisse umsichtig und maßvoll wahrgenommen werden. Die interne Aufsicht wird sich bei ihrer Tätigkeit auf diese Fragen konzentrieren und so zu dem Dezentralisierungsprozeß innerhalb der Organisation beitragen.
Ein weiteres Aufgabenfeld ist die Überzahl an Vorschriften und Bestimmungen, die sich über die Jahrzehnte angesammelt haben und die insbesondere in den Bereichen des Finanz- und Personalmanagements inzwischen mehr Verwirrung stiften, als für die Verwaltungstätigkeit Anleitung zu geben. Zwar laufen Bestrebungen, den Wildwuchs auszudünnen, doch lassen die Ergebnisse noch auf sich warten. Andererseits deckte die Arbeit des aiad jüngst erhebliche Lücken in den Vorschriften der Vereinten Nationen auf. So förderte ein Aufsichtsfall das Fehlen einer schlüssigen, auf die Verhältnisse bei den Vereinten Nationen anwendbaren Definition des Begriffs "Interessenkonflikt" zutage. Wir haben unsere diesbezüglichen Erkenntnisse den Verfassern des Entwurfs eines Verhaltenskodex für die Bediensteten vorgelegt, den der Generalsekretär mittlerweile gebilligt hat und der diese Lücke im Regelwerk der Vereinten Nationen schließen würde. Ferner hat das aiad festgestellt, daß die Personalvorschriften und die Verwaltungserlasse nicht so klar sind, wie sie sein sollten. Allzu oft haben sie vielmehr Bedienstete sogar davor bewahrt, für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen zu werden, während der Schutz der Interessen der Vereinten Nationen dabei zu kurz kam. Wir im aiad unterstützen uneingeschränkt die Bemühungen unserer Kollegen, insbesondere im Bereich Rechtsangelegenheiten, zur Straffung und Stärkung der Vorschriften und werden selbst weiterhin auf Reformen in diesem Bereich drängen.
Die Qualität der horizontalen Kommunikation im Sekretariat, die mir bei meinem Amtsantritt 1994 mit am meisten Sorge bereitete, hat sich erheblich verbessert, seit Generalsekretär Annan schon früh beschloß, eine Politik-Koordinierungsgruppe - quasi ein Kabinett - und vier Exekutivausschüsse einzuberufen, die regelmäßig zusammentreten und wechselseitige Information, Koordination und Zusammenarbeit gewährleisten sowie Ressortdenken, Doppelarbeit und Überschneidungen verringern. Dieser neue Führungsstil zeigt eine deutlich über das Sekretariat hinausgehende Wirkung, erfaßt auch die getrennt verwalteten Fonds und Programme und setzt Zeichen für ein moderneres, wirksameres und effizienteres Herangehen an die Aufgaben, mit denen die Weltgemeinschaft die Vereinten Nationen betraut hat.
Trotz all dieser Entwicklungen meine ich nicht, daß es an der Organisation nichts mehr zu verbessern gäbe. Welcher internationale oder staatliche Verwaltungsapparat könnte dies schon von sich behaupten?
Doch der Prozeß des Wandels, der Reform, der Verbesserung der Vereinten Nationen schreitet voran, und zwar nicht so sehr wegen der finanziellen Beschränkungen, die der Organisation auferlegt wurden, sondern zu einem großen Teil trotz dieser Zwänge. Es ist höchste Zeit, daß alle Mitgliedstaaten diese Entwicklung anerkennen und würdigen.
(gezeichnet) Karl Th. Paschke New York, 31. Juli 1997 |